Die Medienmacherin

Die Medienmacherin

im Gespräch mit Freddie Schürheck

Transkript

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00:00:00: ****Intro**** "Auf der einen Seite ist es einfach so, dass diese Themen immer noch erzählt werden müssen und, dass Behinderung immer noch

00:00:05: sehr hoch gehalten werden muss. Deswegen fühle ich da schon so eine Verantwortung, dass ich das Thema auch immer wieder auf den Tisch packe", sagt Judyta Smykowski. Sie ist Journalistin und Podcasterin.

00:00:18: Sie arbeitet unter anderem für die taz und für den Bayerischen Rundfunk und sie ist Redaktionsleiterin von "Die neue Norm", ein Magazin für Vielfalt und Disability Mainstreaming.

00:00:27: In dieser Podcast-Folge erklärt Judyta was das genau ist und warum die Corona-Zeit ihr als Rollstuhlfahrerin z.b. mit den vielen Streaming-Events

00:00:36: ganz neue Möglichkeiten eröffnet hat: "Jetzt wo alles wieder normal wird heißt das auch, dass behinderte Menschen wieder außen vor gelassen werden." Und wir reden in dieser Folge über Judytas erste große Liebe:

00:00:45: die Geige. Sie stand ganz kurz vor einer großen Karriere... ***JINGLE: Die Medienmacherin im Gespräch mit Freddie Schürheck*** Intro ENDE ***

00:00:57: F: "Hallo alle und herzlich willkommen zu einer neuen Folge, dieses Mal mit der zauberhaften Judyta, hallo!"

00:01:07: J: "Hallo!" F: "Und du hast mir gerade schon verraten, du sitzt ja gerade vor zwei großen Bildschirmen, die sehe ich bei dir im Hintergrund, du bist nicht bei dir zu Hause sondern du bist im Büro?"

00:01:22: J: "Genau, in Berlin am Hauptbahnhof, bei den Sozialheld*innen."

00:01:29: F: "Ich freue mich total, dass du für uns Zeit hast. Die erste Frage die ich immer hier Stelle ist: was war dein erster

00:01:41: Medien-Job?"

00:01:46: J: "Oje... Ich habe Germanistik angefangen zu studieren, 2 Semester und dann habe ich gewechselt. Währenddessen wusste ich schon, dass ich in den Journalismus wollte

00:01:58: und ich habe glaube ich ein Praktikum gemacht... natürlich ein Praktikum!

00:02:04: Bei einem Bildungsverein war das glaube ich.

00:02:11: Und ich war beim Hamburger Abendblatt, also bei mir in der Heimat.

00:02:19: Da war ich in der Weltpolitik."

00:02:27: F: "Guck mal: direkt groß angefangen. Dabei ist hier der Standard normalerweise, dass man 

00:02:31: beim Schützenverein oder beim Kaninchenzüchterverein war. Das ist ja immer so ein Klischee, aber wirklich viele von uns waren ganz am Anfang beim Kaninchenzüchterverein. Gut, du hast halt die Weltpolitik gemacht... Du hast gerade gesagt, dass du zwei Semester Germanistik studiert hast. Ich habe tatsächlich

00:02:44: 12 Semester Germanistik studiert, du hast aber gewechselt und dann ja Online- und Kulturjournalismus studiert. Warum dieser Wechsel?"

00:02:54: J: "Weil ich in die Praxis rein wollte und weil ich irgendwie praktisch arbeiten wollte.

00:02:59: Ich wusste, dass viele Leute wenn sie gerade aus einem kleineren Städtchen kommen, schon irgendwie seit sie 16 sind bei der Lokalzeitung arbeiten.

00:03:07: Und ich als Hamburgerin dachte mir so: ja nee, ich hatte diese Berührungspunkte nicht.

00:03:23: Und dann habe ich im Zeit Campus-

00:03:27: Studienführer eine Umfrage zum Thema Journalismus gelesen und da stand, dass die Hochschule Darmstadt im Online-Journalismus einen sehr hohen Praxis-Anteil hat.

00:03:37: Damals habe ich mir gedacht: okay, das möchte ich eigentlich eher als hier so Mittelhochdeutsch und und so zu lernen im im Germanistikstudium." F: "Oh, ja! Mittelhochdeutsch und Althochdeutsch musste ich auch machen! Da bin ich auch direkt durchgefallen. Ich musste auch noch Altfranzösisch lernen in Heidelberg, da legen sie viel Wert auf alte Sprachen.

00:04:06: Und in Darmstadt war dein Studium dann eben sehr praxisorientiert. 

00:04:06: Du hast gerade schon selbst auch gesagt: natürlich hast du am Anfang Praktika gemacht, natürlich haben wir das alle gemacht, wir sind die Generation Praktikum und ich weiß nicht wie viele Praktikums-Geschichten ich schon gehört habe in  diesem Podcast. Hier z.b. in der Folge mit Melissa Khalaj, die Moderatorin von Sat 1 und sixx. Sie hat hier erzählt, dass sie glaube ich acht oder neun Praktika gemacht hat,

00:04:30: eine ganze Seite voll im Lebenslauf. Wie sieht's bei dir aus? Wie viele waren es?"

00:04:35: J: "Auch tausende, weil ich in jeden Semesterferien einfach ein Praktikum gemacht habe. 

00:04:42: Weil ich dann ja auch mit der Hochschule Darmstadt in einem kleinen Städtchen wieder gewohnt habe,

00:04:49: wo es keine richtige Lokalpresse gab und

00:04:53: ich auch im Rollstuhl unterwegs bin und nicht die Lokalreporterin sein kann, die irgendwie von einem Termin zum anderen hastet,

00:05:01: deswegen habe ich die Praktika dann in den Semesterferien gemacht und dann bin ich immer wieder nach Hamburg zurück in meine Heimatstadt und habe dort Praktika gemacht."

00:05:11: F: "Auf alle 780 000 Praktika von dir können wir leider nicht gucken, aber vielleicht können wie auf ein Highlight und ein Lowlight gucken. Was war so das beste Praktikum, was dir am meisten gebracht hat und was war vielleicht eins wo du sagst,

00:05:24: hat mir zumindest in so fern was gebracht als, dass ich weiß, dass es nichts für mich ist."

00:05:32: J: "Ja, also das, wo ich auch froh war, dass ich es gemacht habe war auch mal in der Agentur zu sein, in der Werbeagentur, um dann auch zu wissen: okay das ist jetzt vielleicht nicht mein Ding. Aber

00:05:45: es war spannend die Arbeitsweise dort kennenzulernen und

00:05:48: den Umgang mit Sprache dort, das fand ich jetzt auch wichtig. Also es ist jetzt nicht vergeudete Zeit gewesen. Es war nur klar, dass ich das nicht machen will.

00:05:58: Und so das Highlight war ein Praktikum beim ZDF Studio in Warschau, das war toll.

00:06:08: Obwohl es natürlich da auch um die deutschen Zuschauer*innen geht und da muss ich sagen, dass du da natürlich noch viele Vorurteile hast. Also es war eher so der Zweite Weltkrieg, der da immer noch aktuell war.

00:06:22: Und ja, da hat man einfach so ein bisschen gemerkt wie dann das Polen-Bild ist

00:06:26: in Deutschland. Das fand ich ein bisschen schade. Aber da wurden auch auf jeden Fall neue Impulse gesetzt, aber so der Haupt-Zuschauer damals

00:06:35: war interessiert am 2. Weltkrieg und Polen ist ja so viel mehr als das."

00:06:41: F: "Ja, das ist halt so krass, wenn man dann so als als Korri oder auch als Praktikantin bei den Korries sieht, mit welchen Klischees man dann wieder

00:06:50: konfrontiert ist. Du hast gerade auch von Agentur gesprochen, das finde ich auch ein spannendes Thema, weil wir das auch im Podcast immer mal wieder hören, dass es da so Überlappungen gibt zwischen dem Agenturleben und dem Journalismus. Was würdest du denn sagen, was hat dir dein Praktikum in der Agentur, auch wenn es nur kurz war,

00:07:07: dir als Journalistin gebracht?

00:07:11: Vielleicht das klare texten?"

00:07:18: J: "Ja, auch das. Und das pitchen! Pitch ist ja ein Wort, was man da einfach jeden Tag hört und das einem jeden Tag um die Ohren fliegt und darum geht's auch im Journalismus: man muss irgendwie mit seiner Idee überzeugen.

00:07:31: Man muss an Ideen arbeiten, damit sie überzeugen und die beste Idee schafft es dann.

00:07:44: Oder eben der beste Dreh zu einem Thema.

00:07:47: Also da sehe ich auf jeden Fall eine Parallele. Und eine andere Praktikums-Story war, dass ich durch einen Tweet ein Praktikum bekommen habe, bei der taz in Berlin.

00:07:58: Das war so cool und da habe ich mich auch so gesehen gefühlt und dachte: schön, dass es so klappt."

00:08:06: F: "Und einfach über Twitter? Wie hat das funktioniert? Also du hast was Schlaues getwittert und dann haben die dich angeschrieben oder wie ging das?"

00:08:13: J: "Ich hatte tatsächlich vorher einen Gastkommentar dort geschrieben in der taz und

00:08:18: da ich hatte noch einen Blog damals und dadurch wurden sie auf mich aufmerksam und dann hat mich ein Redakteur angeschrieben und meinte so: 

00:08:32: ja möchtest du nicht für ein Praktikum auch vorbeikommen aufgrund des Textes?"

00:08:45: Also Twitter hat schon tolle Möglichkeiten irgendwie. Aber ich weis gar nicht ob die coolen Kids heutzutage da noch sind -  wahrscheinlich nicht mehr."

00:08:52: F: "Ja, doch! Ich habe schon das Gefühl bei Twitter ist noch viel los. Ich persönlich empfinde Twitter manchmal als zu negativ, also zumindest bei mir selbst. Ich habe früher immer nur den Impuls gehabt was zu twittrn, 

00:09:01: wenn ich irgendwas blödes im Fernsehen sehe oder so... dann habe ich darüber getwittert und dann kriegt das ja auch Likes, andere Leute gucken das ja auch gerade.

00:09:09: Und erst fand ich das so ganz witzig, so: hey cool, ich gucke nicht alleine den Tatort, sondern der guckt auch und der hat auch was zu kritisieren oder der hat meinen witzigen Kommentar geliked,

00:09:17: und irgendwann ist mir das aufgefallen, dass ich so eigentlich ein positiver Mensch bin, aber wenn ich bei Twitter bin, bin ich so negativ.

00:09:23: Deswegen bin ich nur noch relativ wenig bei Twitter, aber ich gucke

00:09:31: immer mal wieder was passiert da so, weil man ja schon ein gutes Gespür für Themen darüber bekommt. Und ich finde generell, dass die 

00:09:43: Social Media Tools eine gute Themengrube sind.

00:09:46: Man kann sich nicht nur selbst gut verkaufen sondern man findet dort auch Storys.

00:10:03: Ich mache es zum Beispiel oft, dass ich über Social Media mit Hörerinnen und Hören von unserer 1LIVE-Morningshow in Kontakt bin 

00:10:09: und darüber generieren wir dann Geschichten. Also wenn dann eben neulich

00:10:13: sich ein Hörer aus Singapur rein meldet über Instagram, dann habe ich ihm zurück geschrieben und wir haben im Radio telefoniert.

00:10:26: Und dann heißt es hinterher in der Konferenz: was war das denn für eine coole Geschichte und dieser Typ aus Singapur und wo hattest du den denn her?

00:10:34: Social Media kann da echt was bringen und du machst es ja dann scheinbar ähnlich."

00:10:43: J: "Vor sieben Jahren oder so, von der Twitter-Zeit rede ich, als alles noch kleiner war ne und als wir die Herzen verteilt haben und nur bestimmte Leute da waren und

00:10:52: die Debatten noch nicht teilweise toxisch waren.

00:10:56: Was ich aber auch immer wieder Journalist*innen sage ist, dass dort behinderte Menschen auch so zu finden sind, weil sie sich dort auch barrierefrei

00:11:04: mitteilen können  und da kann man dann auch wieder die Geschichte erzählen.

00:11:08: Die gehen vielleicht nicht gerne auf eine Demo, weil sie sich da nicht so wohl fühlen mit Rollstuhl in einem Pulk.

00:11:17: Oder es ist einfach nicht barrierefrei wenn man ein Podiumsdiskussion teilnehmen will 

00:11:18: und Twitter oder die sozialen Medien sind also der erste Schritt um sich einfach mitzuteilen."

00:11:29: F: "Ja, voll! Also man bekommt einfach wirklich aus erster Hand Infos von Leuten, 

00:11:36: egal aus welchem Umfeld oder so, da hast du wirklich die Möglichkeit zumindest wenn du den richtigen Leuten folgst auch gute Einblicke zu bekommen. Ich hatte zum Beispiel bei dir bei Twitter gesehen, dass du

00:11:48: einen Workshop von deinem Kollegen Jonas Karpa rettetet hast für das "Medien Zukunfts-Festival" und

00:11:56: der Tweet ist mir rein gespült worden in meine Timeline und dann bin ich direkt da drauf und ich hab dann auch mitgemacht. Das war ein super spannender Workshop von dem ich nichts mitbekommen hätte, wenn ich dir nicht folgen würde. Also deswegen, das ist,

00:12:10: total die gute Bereicherung auch für Medienschaffende, genau zu schauen: wem folge ich,

00:12:15: von wem kann ich mir vielleicht ein bisschen was abgucken oder wer gibt gute Impulse und nicht unbedingt nur wer

00:12:20: posted witzige Diss-Kommentare über den Tatort.

00:12:28: Wir haben gerade schon über die taz kurz gesprochen, du schreibst ja auch immer noch für die taz als Freiberuflerin, wie funktioniert das bei dir jetzt mal so richtig im journalistischen Alltag? Bist du regelmäßig bei Meetings von der taz dann dabei und pitched

00:12:43: dann da eben Themen oder fragen die dich gezielt an?"

00:12:51: J: "Also da gibt es zwei Wege. Also einerseits werde ich auch angefragt, manchmal zum Thema Inklusion, zum Thema Behinderung, das ist irgendwie was schönes,

00:13:01: dass man da irgendwie schon so im Hinterkopf ist mit dem Namen, so, ach: dann fragen wir mal Judita.

00:13:07: Oder ich schlag auch selber Themen vor, das muss auch nicht unbedingt zum Thema Behinderung sein, sondern auch zu anderen Themen. Also ich schreibe auch gerne über Kultur.

00:13:17: Also in meinem Hauptjob, bei "Die neue Norm" z.b.,

00:13:27: da ist das Thema einfach zu Behinderung und Gesellschaft und deswegen schaffe ich mir da auch manchmal so einen Ausgleich und schreibe auch mal über kulturelle Themen. Letztens habe ich mal einen Text über Tanz geschrieben, aber jetzt nicht für die taz.

00:13:38: Das war einfach auch mal wieder schön, einfach ein komplett anderes Thema zu haben."

00:13:43: F: "Absolut und du hast ja selber glaube ich auch wenn ich es richtig im Kopf habe, in einem Artikel für die taz mal geschrieben, wie es eben ist als Journalistin mit Behinderung in den Medien zu arbeiten und, dass man eben nicht immer,

00:13:54: nur in Anführungszeichen für dieses eine Thema stehen will sondern eben natürlich auch eine Diversität an Themen haben will und da hast du dann aber ja die Möglichkeit und das klingt

00:14:04: dann genau richtig oder?" J: "Ja, genau! Das hat aber auch lange gedauert und ich würde auf jeden Fall da auch den Nachwuchs ermutigen,

00:14:13: immer so auf sich selbst zu hören: was ist denn das was ein Thema für mich sein könnte. Aber auf der anderen Seite ist es einfach so, dass das diese Tehmen immer noch erzählt werden müssen und das Behinderung immer noch

00:14:23: sehr hoch gehalten werden muss von uns wenigen Menschen, die damit irgendwie in Berührung sind und diese Möglichkeit haben. Wir sind in einer super privilegierten

00:14:32: Position darüber zu sprechen und darüber schreiben zu können und die Geschichten noch sichtbarer zu machen. Deswegen fühle ich da schon so eine Verantwortung das Thema auch immer wieder auf dem Tisch zu packen.

00:14:44: Und das war bei der taz jetzt ganz schön, dass ich auch Teil einer Serie war: was hat sich nach Corona verändert im Journalismus,

00:14:54: oder was verändert sich - wir sind ja noch mittendrin. 

00:14:58: Gerade da wurde so ein bisschen Bilanz gezogen und da war einfach der barrierefreie und inklusive Journalismus schon  Teil davon und das war

00:15:06: irgendwie auch schön dann Teil einer Reihe zu sein und da irgendwie auch Bilanz zu ziehen und so ein bisschen auch wieder den erhobener Zeigefinger in Anführungsstrichen zu haben so:

00:15:16: jetzt wieder zur Normalität zurückzukehren heißt eigentlich auch behinderte Menschen wieder außen vor zu lassen. Also wenn dann wieder die Veranstaltungen in irgendwelchen denkmalgeschützten Gebäuden sind dann streamt das doch mit.

00:15:29: Und über den Denkmalschutz müssen wir dann auch noch mal sprechen, aber Stream ist doch eine gute Idee."

00:15:34: F: "Ja oder allein schon Interviews... also, dass du dann eben z.b. nicht am Tag zu drei verschiedenen Interview-Locations fahren musst,

00:15:42: für ein Gespräch das ganz einfach auch so möglich wäre. Das heißt, du würdest schon sagen, dass für dich eben Corona teilweise die Arbeit dann auch erleichtert hat?"

00:15:51: J: "Auf jeden Fall und ich glaube das ist auch vielen Menschen klar geworden, dass man nicht für jedes Meeting

00:15:57: und auch bei mir nicht für jeden Workshop den ich für Journalist*innen gebe zum Thema Behinderung, muss ich da quer durchs Land fahren.

00:16:04: Klar, manchmal ist es notwendig und auch schön für die Gruppendynamik, aber wenn ich nur mal so einen kurzen Impuls geben muss, muss ich dafür nicht ans andere Ende des Landes fahren."

00:16:13: F: "Nimm uns doch mal kurz mit für alle, die sich vielleicht nicht so auskennen mit den Begriffen die wir gerade hatten: die neue Norm und die Sozialheld*innen, was ist das genau? Also die Sozialheld*innen ist dein Arbeitgeber und für Die neue Norm bist du Redaktionsleiterin.

00:16:26: Das ist eben ein Magazin, online, wie genau hängt das zusammen?"

00:16:34: J: "Also die Sozialheld*innen sind ein Verein und unser Thema ist Inklusion on- und offline, grob gesagt. Den Verein gibt es seit 15 Jahren und Raul Krauthausen hat den gegründet, Raul ist vielleicht dem einen oder der anderen einen Begriff.

00:16:49: Er ist als Aktivist sehr sehr aktiv.

00:16:54: Und bei den Sozialheld*innen habe ich zwei Projekte die ich verantworte: einmal wie gesagt Die neue Norm also ein Online-Magazin und ein Podcast, den wir zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk machen.

00:17:04: Dort geht es viel um Behinderung und Gesellschaft, um ganz ganz viele verschiedene Themen. Das machen wir zu dritt: Raul ist auch dabei und mein Kollege Jonas, den wir eben mit dem Workshop schon erwähnt haben.

00:17:17: Und im Podcast sprechen wir viel über alltägliches und persönliches.

00:17:24: Aber wir wollen das auch immer so bisschen auf ein höheres Level packen, also wir haben z.b. Hochzeit mit Behinderung mal als Thema gehabt.

00:17:33: Oder auch: wie ist es mit Kinder kriegen oder wie ist es mit Gadgets die einem das Leben erleichtern.

00:17:40: Und das zweite Projekt um das ich mich kümmere ist leidmedien.de - mit d,

00:17:48: von Leiden und das ist das Projekt wo ich viel in Redaktion bin und dort über Berichterstattung etwas erzähle bzw ein bisschen auch aufkläre, weil es noch ein bisschen viele Klischees

00:18:02: gibt in den Medien über behinderte Menschen, weil auch nur wenige behindertere Menschen Journalist*innen sind.

00:18:07: Und da machen wir aber auch viel, damit wir den Nachwuchs kriegen. Wir vergeben zum Beispiel ein Stipendium für Journalist*innen mit Behinderung.

00:18:17: Und wir beraten auch teilweise Dreh-Buch-Autoren - also ganz ganz breitgefächert was wir da machen in vielen vielen Bereichen."

00:18:25: F: "Und das ist richtig spannend, was ihr da macht. Also für jeden der möchte das kann man natürlich alles nochmal googlen und bei euch im Netz ja auch wirklich schön dann überall nachlesen oder auch nachhören dann im Podcast.

00:18:37: Der Podcast läuft ja eben auch bei Bayern 2 im Radio, 

00:18:39: ich habe zum Beispiel tatsächlich die Folge mit der Hochzeit gehört und fand sie sehr spannend.

00:18:54: Was bekommt ihr so für Resonanz auf den Podcast?"

00:19:03: J: "Viele Themenvorschläge auch.

00:19:05: Also da haben wir wieder dieses Thema 'gehört werden' und 'gesehen werden'.

00:19:17: Also Themenvorschläge kriegen wir sehr sehr viel.

00:19:19: Auf der anderen Seite muss ich aber auch ehrlich sagen: Behinderung ist auch immer noch ein Nieschen-Thema, was sehr sehr schade ist, gerade auch in dieser ganzen Diversitäts-Debatte die ja voll läuft.

00:19:32: Es ist wirklich so, dass Behinderung manchmal auch hinten überfällt in der ganzen Aufzählung von Dimensionen.

00:19:38: Da müssen wir auch immer wieder sagen: hier Behinderung ist auch ein Teil des Ganzen

00:19:42: und das kostet auch viel Zeit und Kraft irgendwie das auch immer wieder hoch zu halten."

00:19:51: F: "Ja, das kann ich mir vorstellen. Wie ist denn die Resonanz von nicht behinderten Menschen? Bekommt ihr da auch viele Zuschriften oder könnt ihr messen wie viele Leute euch hören?"

00:20:06: J: "Das müsstest du den Bayerischen Rundfunk fragen, aber natürlich

00:20:13: hören uns auch nicht behinderte Menschen. Und es sind natürlich dann auch irgendwie die Allies, also die Verbündeten von behinderten Menschen bzw die vielleicht jemanden auch aus der Familie kennen.

00:20:25: Also diesen Spruch 'seitdem ich dich kenne, achte ich mehr darauf' den

00:20:31: sagt fast jeden Tag irgendjemand zu mir. Das heißt also Behinderung ist auch etwas

00:20:37: wo du erstmal jemanden kennenlernen musst um es irgendwie auch zu begreifen.

00:20:42: Ansonsten ist das, was wir in den Medien hören eher so dieses: neueste Forschungsergebnisse, so etwas wie: 'wir haben jetzt ein ein Rollstuhl der Treppen laufen kann'. Und das ist nicht so cool,

00:20:50: weil diesen Rollstuhl kann wahrscheinlich nicht jeder benutzten und wer kriegt den auch? Der kostet viel Geld und

00:20:58: Barrierefreiheit ist immer ein Thema.

00:21:13: Und es ist auch für alle ein Thema.

00:21:16: Eltern mit Kinderwägen, ältere Menschen, wenn man einen Unfall hat, oder wenn man in der U-Bahn unterwegs ist und seine Kopfhörer nicht dabei hat, dann braucht man Untertitel - also: es geht irgendwie alle an.

00:21:30: Und es kann auch irgendwie allen passieren, dass man irgendwie vielleicht kurzzeitig oder auch länger auf die Hilfe von andern angewiesen ist.

00:21:39: Und ich glaube das ist noch nicht so ganz angekommen in der Gesellschaft, ehrlich gesagt. Das Thema wird auch immer so ein bisschen weggeschoben.

00:21:47: Ja, und da würd ich mir gleich mehr wünschen, dass Menschen es

00:21:54: in sich aufsaugen oder das Thema als selbstverständlich und auch mitdenken.

00:21:59: Da ist eben ein Schritt jetzt erstmal Sichtbarkeit zu schaffen für verschiedene eben Tehmen."

00:22:04: F: "Und eben nicht nur für diese extremen Themen, die du eben angesprochen hast, wenn irgendwo was tolles neues erfunden wird und dann berichten da alle drüber und das ist aber nicht der Alltag wo du z.b. wirklich

00:22:14: mit konfrontiert bist. Aber was würdest du dir denn wünschen?

00:22:21: Worüber machen wir dann die Berichte? Auch darüber macht ihr euch Gedanken mit leidmedien.de.

00:22:27: Ich habe es zum Beispiel auch von Jonas im Workshop gelernt:  

00:22:34: wie berichten wir über Menschen mit Behinderung, so, dass es 

00:22:42: wirklich im Sinne der Sache ist? Er hat gesagt es ist wichtig nicht in diesen extremen zu denken: also entweder berichten wir über Menschen die 'leiden', wo man Mitleid bekommen, oder eben wirberichten

00:22:49: über Leute die Helden sind, weil 'wow was haben die tolles geschafft'. Ziel ist es eben das Alltägliche abzubilden mit dem man einfach wirklich jeden Tag konfrontiert ist.

00:23:02: Du gibst diese Workshops wie Jonas ja scheinbar auch. Welche Erfahrung macht ihr da? Was kommen da für Leute bei euch in die Workshops?"

00:23:12: J: "Also es ist so ein beidseitiges Ding. Entweder wir gehen auf die Redaktion zu oder die kommen auf uns zu und wollen auch wirklich diesen Workshop.

00:23:22: Und bei Medienhäusern ist das natürlich auch immer so ein Zeitproblem... da am Tag kurz nach der Morgen-Konferenz dann die Stunde mitzunehmen... also so ein Ganztages-Workshop ist eher schwierig dann.

00:23:35: Je länger man sich natürlich mit diesem Thema befasst, desto besser.

00:23:40: Wir machen die Erfahrung, dass viele Menschen dort auch das erste mal jemanden mit Behinderung sehen und

00:23:49: das ist auch irgendwie eine krasse Erfahrung. Man muss wissen, dass 10% der Menschen in Deutschland eine Behinderung haben.

00:23:58: Das heißt irgendwie fast jeder zehnte im Bekanntenkreis im Kolleg*inne-Kreis könnte eine Behinderung haben, aber man kennt es irgendwie nicht so.

00:24:07: Und das liegt einfach auch daran, dass es in Deutschland so krass getrennte Wege gibt, also auch Wege die für Menschen vorgezeichnet sind.

00:24:17: Z.b. auch für Menschen mit geistiger Behinderung, dass sie eher auf dem zweiten Arbeitsmarkt arbeiten für noch nicht mal Mindestlohn, dass sie in Werkstätten - also so heißen diese Orte - arbeiten oder auch im Wohnheim untergebracht sind,

00:24:31: und das sind wirklich auch krasse krasse Dinge, die man sich immer wieder vergegenwärtigen muss. Dass das in Deutschland einfach auch so noch passiert.

00:24:38: Aber wenn wir dann in den Redaktionen sind, dann sprechen wir das auch an. Also es geht da nicht nur um die Wortwahl, sondern auch um die Protagonist*innen Suche.

00:24:47: Und um da nochmal den Bogen zu schlagen:

00:24:52: ja, wir wollen auch dieses Bewusstsein, dass Menschen mit Behinderung Alltägliches erleben, natürlich.

00:24:58: Und ich glaube auch, dass diese Opfer- und Heldengeschichten daher kommen das wir nicht richtig zuhören.

00:25:04: Als Journalist*innen müssen wir eigentlich unseren Protagonist*innen zu hören, das ist ja irgendwie

00:25:09: der erste Job den wir haben, aber wir haben so ein vorgefertigtes Bild, eine vorgefertigte Meinung.

00:25:17: Da ist niemand frei von, auch ich nicht. 

00:25:30: Und, dass er zum Beispiel 'es alles hinkriegt trotz der Behinderung' und so, dass man dieses Erstaunen nicht ablegen kann und nicht einfach sagt 'okay er macht irgendwas mit seiner Behinderung und die Behinderung spielt nicht in allem was er macht eine Rolle', da habe

00:25:43: ich wirklich manchmal den Eindruck, dass das ganz ganz schwer ist das durchzubekommen.

00:25:51: Also es gibt wirklich manchmal Stücke wo man, dass die Journalistin die alles drum herum geschrieben hat, einen anderen Ton hat als die Protagonistin.

00:26:00: Und dann

00:26:02: geht irgendwas in der Kommunikation schief. Da ist vielleicht auch nicht so ein Wille da irgendwie sich vielleicht auch überzeugen zu lassen von dem anderen Bild, das nicht reinpasst.

00:26:11: Aber das ist ja gerade die Offenheit, die professionelle Offenheit, die wir eigentlich haben müssten und das ist anstrengend und das ist schwer.

00:26:18: Ich glaube das muss man auch trainieren aber so sollten wir eigentlich arbeiten und deswegen wäre es schön, wenn wir

00:26:28: wir mit den Geschichten von 'er hat die und die Diagnose' hin zu 'was macht diesen Menschen

00:26:31: eigentlich noch aus' kommen würden. Die Behinderung sollte nicht die Nachricht sein.

00:26:41: F: "Vielleicht ist auch ein Problem - wenn ich gerade nochmal darüber nachdenke wie wir beide drüber gesprochen haben eben - die Protagonistensuche. Das ist ja ein 

00:26:50: großes Thema jeden Tag bei uns, egal für welches Medium man arbeiten, man will immer den perfekten Protagonisten suchen und vielleicht

00:26:58: führt uns das manchmal zum falschen Ansatz. Also, dass man eben nicht sagt: 'ich habe den und den Menschen da und da gesehen den finde ich spannend weil der macht das und das, deswegen berichte ich über den' sondern ganz oft ist ja dieses:

00:27:08: 'das wäre ein gutes Thema für unsund wo finden wir denn jemanden der uns was dazu sagen kann'.

00:27:14: Und schon ist eben nicht mehr der Mensch mit seiner eigentlichen Geschichte im Fokus, sondern es ist eher so 'puh ich habe jemanden gefunden der kann uns zu du dem Thema was sagen' und so zäumt man das Pferd vielleicht von der falschen Seite auf."

00:27:28: J: "Das könnte ich mir auch vorstellen, dass das auch mit ein Problem ist und dieses Problem ist ja auch ein Zeitproblem!" F: "Ja, und auch da finde ich jetzt gerade ganz spannend... wir hatten in dem Workshop

00:27:38: mit Jonas einen Autor von einer aktuellen Tageszeitung der sagte:

00:27:44: 'Leute, ich gebe alles! Ich will irgendwie guten Journalismus machen und ich will auch allem gerecht werden, aber manchmal ist es dann irgendwie kurz vor fünf Uhr und ich habe die Deadline im Nacken,

00:27:54: und dann weiß ich eben nicht, dieser Artikel über Person XY ist er jetzt wirklich so wie er sein sollte? Aber ich weiß nicht wen ich fragen soll,

00:28:02: weil alle sind schon im Feierabend oder bei uns arbeitet kein Mensch, der davon Ahnung hat oder so!' So und was kann man da machen? Und Jonas hat gesagt es gibt verschiedene Institutionen 

00:28:12: in Deutschland an die man sich wenden kann die dann eben Texte z.b. prüfen auf Barrierefreiheit z.b. 

00:28:22: und das war mir tatsächlich neu. Das kannte ich nicht das Konzept und jetzt hast du aber gerade ja auch gesagt, dass ihr mit Leitmedien z.b. Drehbücher checkt.

00:28:32: Wie ist vorab wie läuft das dann? Kommt dann so ein Tatort-Drehbuchautor zu euch und lässt euch mal drüber gucken?"

00:28:41: J: "Ja manchmal sind es tatsächlich die Drehbuchautor*innen und das finde ich super cool.

00:28:53: Sie geben ihr Buch aus der Hand und sie haben ziemlich viel Herzblut reingesteckt und dann kommt da jemand und setzt den Rotstift an.

00:29:01: Aber das passiert manchmal, dass die Autor*innen uns kontaktieren oder die Produktionsfirmen die sich dann beraten lassen und dann kritzeln wir wirklich im Drehbuch rum.

00:29:11: Oder wir erzählen eben auch einfach mal. Da sind wir wieder bei diesem 'erzählen', wie viele behinderte Menschen einfach noch erzählen müssen.

00:29:18: Und da muss ich sagen: also irgendwann habe ich auch keinen Bock mehr.

00:29:22: Zu erzählen... aus dem Nähkästchen zu plaudern... oder sein Leben zu erzählen... deswegen machen wir den Podcast. Also hört den Podcast und wenn ihr danach noch eine Frage habt,

00:29:31: dann kommt zu uns.

00:29:34: Aber da ist es wirklich so, dass man wirklich aus dem Leben erzählen muss und sagen muss: 'das was du jetzt hier gerade im Drehbuch reingeschrieben hast, ist ein Klischee und wenn das so um 20:15 Uhr läuft,

00:29:45: werden das alle wieder übernehmen' und das ist eine krasse Verantwortung, die glaube ich manchen nicht bewusst ist, dass man wirklich viel

00:29:55: Schaden anrichten kann bzw auch einfach die vorgefertigten Meinungen über Minderheiten da noch mal verfestigen kann.

00:30:04: Natürlich heißt das nicht, dass man Angst haben soll das Thema anzugehen, nee, aber ich glaube wir haben da einfach als Medienleute das Handwerkszeug in der Hand, wir haben das Telefon, wir haben irgendwie die Kontaktdaten,

00:30:17: die Fähigkeit da irgendwie zu recherchieren. Und gerade solche Vereine oder Leute die das noch mal durchlesen und noch mal irgendwelche Kommentare machen also...

00:30:28: wir haben eigentlich das Wissen und das Handwerkszeug und nutzen ist aber manchmal nicht.

00:30:33: Aber die dies es machen, die landen dann manchmal auch bei uns und die Zusammenarbeit läuft dann auch ganz schön und dann kommen ganz viele Aha-Erlebnisse und 'ja das stimmt' und 'so habe ich das nicht gesehen' und 'ja klar' und."

00:30:48: F: "Und das ist dann doch schon zu sehen. Es gab am Sonntag auch mal wieder einen Tatort.

00:30:56: Und sorry, ich will jetzt hier gar kein Tatort-Bashing-Podcast machen, ich liebe den Tatort... ich habe jetzt am Sonntag selbst gar nicht Tatort gucken können, weil ich am nächsten Morgen um 3 Uhr wieder aufstehen muss und dann war das leider nicht in meiner Zeit...

00:31:10: aber ich habe gehört, dass es da tatsächlich auch viel Kritik dran gab, an der Darstellung einer Figur im Film ich weiß nicht ob du das mitbekommen hast?"

00:31:19: J: "Ich habe ihn nicht gesehen, aber ich habe auch

00:31:22: bei Twitter gelesen, dass die Figur nicht authentisch besetzt wurde und das ist auch etwas was dann sozusagen konsequenterweise weitergehen sollte: also einmal das Drehbuch sensibel zu schreiben

00:31:35: und dann auch die Leute richtig zu besetzen und dann gibt's immer die, die die Ausrede bringen: 'es gibt ja keinen'.

00:31:44: Aber das ist ja bei allen Positionen so, auch bei Frauen in der Medienbranche, 'wir haben niemanden gefunden',

00:31:51: also dann sucht man ja einfach nicht genug. Also es ist aufwendiger divers zu sein aber es ist machbar.

00:31:58: Und es geht einfach nicht mehr diese Ausrede 'es gibt niemanden',

00:32:03: sondern es gibt die Menschen, es gibt Datenbanken wo diese Menschen zu finden sind und auch ich würde echt so einen Appell auch an nichtbehinderte Schauspieler*innern gerne richten 

00:32:16: ein bisschen zu überlegen: wem nehmen sie gerade den Job weg.

00:32:20: Klar: Schauspielerin sein bedeutet jemand anders zu sein, aber Behinderung ist auch Teil einer Identität.

00:32:27: Nein einfach später im Rollstuhl muss es nicht üben muss ich nicht reinsetzen muss nicht so tun als ob sondern er hat auch die Lebenserfahrung und kann sofort auch.

00:32:36: Vielleicht auch im Drehbuch einschreiten so Moment hier ist gerade wieder ein Klischee.

00:32:41: Natürölich wollen wir auch nicht immer die sein, die immer die Alarmglocken anhaben, aber im Moment ist es leider noch so." F: "Du hast selbst in einem Artikel für die taz mal geschrieben: 'ein Mensch

00:32:50: mit Behinderung ist für eine Redaktion mehr als das Gesicht der nächsten Diversity-Kampagne, denn er oder sie sieht, was ihr nicht seht.'

00:32:58: Und ich glaube das ist doch der Punkt: dass es am Ende nicht reicht 

00:33:01: eine Person mit Behinderung im Team zu haben, um dann sagen zu können: 'ja wir sind ja divers', es geht ja wirklich darum,

00:33:13: das Mindset aller zu öffnen und z.b. bei Konferenzen

00:33:18: Themen im Blick zu haben die andere vielleicht nicht so im Blick haben oder Probleme im Blick zu haben die andere nicht so im Blick haben. Dass man nicht quasi der Quoten-Mensch mit Behinderung ist, wie woanders eben die Quotenfrau oder der

00:33:32: Mensch mit Migrationshintergrund, sondern das ganze Mindset aller muss sich einfach verändern."

00:33:39: J: "Ja, das wäre der erste Schritt... dieses, dass ich auch wenn ich eine Behinderung habe, ich nicht darüber schreiben müsste und mich nicht damit beschäftigen müsste sondern

00:33:47: , dass wenn wir sagen Klimakrise dann sagen wir auch Inklusion und wenn wir sagen Verkehrswende dann sagen wir auch inklusive Verkehrswende, was bedeutet das also? In diesen Komplexen immer auch Inklusion mitzudenken, Behinderung mit zu denken.

00:34:03: Das wäre schon ein Riesenschritt: dieses Bewusstsein wirklich zu haben für diese eine Gruppe, die ist dabei, die geht auch nicht weg.

00:34:10: Inklusion und inklusiv - diese Wörter bedeuten ja eigentlich auch nicht, dass das nur für behinderte Menschen ist, sondern nur, dass es uns alle angeht und alle so teilhaben können wie sie sind.

00:34:21: Es gibt ja immer diesen Satz 'du bist anders, deswegen musst du erklären wie du 

00:34:29: lebst' und dann sage ich: aber eigentlich sind wir alle irgendwie verschieden und haben alle irgendwie unsere Arten zu leben und.

00:34:39: Also das ist ganz ganz wichtig: da nicht irgendwie so 'die anderen' und 'wir' sowas aufzumachen,

00:34:48: solche Schubladen."

00:34:50: F: "Jetzt haben wir gerade schon über die Workshops z.b. von Jonas oder von dir gesprochen über die Bemühungen dann teilweise auch eben in Redaktionen Dinge zu ändern.

00:35:04: Hast du denn das Gefühl es tut sich auch wirklich schon was?"

00:35:16: J: "Ja! Also die Klischees in der Sprache werden weniger, es wird immer weniger 'an den Rollstuhl gefesselt' was ja auch nicht so ist,

00:35:25: weil ich ja keine Fesseln habe. Man kann einfach sagen 'ist mit dem Rollstuhl unterwegs' z.b. oder 'ist drauf angewiesen'.

00:35:33: Also diese Sprachbilder werden weniger und da muss ich aber auch sagen das ist einfach komplett der Job von Journalist*innen immer wieder sich zu ertappen bei den Sprachbildern immer wieder zu denken

00:35:47: 'irgendwie mache ich da gerade was mit der Sprache das vielleicht nicht so gut ist.'

00:35:51: Na oder die 'blinden Flecken' die auch weniger werden sollten... immer diese Metaphern zu suchen zum Thema Behinderung,

00:36:03: das ist einfach schwierig und ja ich denke das wird weniger, es gibt mehr das Bewusstsein dass man Minderheiten auch fragen sollte.

00:36:13: Dass wir vielleicht bei diesem Beispiel von Gadgets und von neuen Erfindungen die dann irgendwie ganz begeistert aufgenommen werden und da wirklich den Impuls zu haben so 'okay wir fragen jetzt eine behinderte Person die es wirklich brauchen könnte kannst du damit was anfangen?'.

00:36:27: Sowas das kommt schon viel öfter vor aber da muss auch noch,

00:36:33: jede Menge passieren." F: "Aber ich habe auch den Eindruck, dass die Information an sich jetzt nicht nur wie sie dann sprachlich tatsächlich von der Wortwahl dargestellt wird sondern auch die Form,

00:36:43: irgendwie immer bei barrierefreier wird. Immer mehr Podcasts z.b. die auch irgendwie als Transkript online zu finden sind oder so, oder

00:36:51: Insta Videos die mit Untertitel laufen

00:36:59: und so - es gibt auch mehr technische Möglichkeiten und ich finde dadurch

00:37:08: lösen sich auch schon verschiedene Barrieren, so kommt es mir zumindest vor.

00:37:16: Das Transkribieren von Podcasts zum Beispiel kann ne Software, was früher wir als Praktisch hätten machen müssen, stundenlang. Also da gibt es viel Bewegung oder?"

00:37:29: J: "Ja, aber trotzdem musst du ja nochmal dran gehen: 

00:37:37: jeder Name ist noch falsch geschrieben und das Transkript muss man immer wieder noch verändern, also diese Zeit muss aber einfach eingeräumt werden und auch

00:37:48: mit einem Posten mitbedacht werden in der Zeit und das glaube ich muss noch viel bewusster passieren.

00:37:54: Es ist eben so, dass noch nicht alles automatisiert geht sondern, dass man da noch jemanden braucht und, dass das nicht immer die Person sein kann die die das hoch hält! Also es gibt immer engagierte Menschen die das dann machen aber,

00:38:06: mach doch einfach einen neuen Budgetplan,

00:38:09: dass sich darum auch gekümmert wird und da muss man sich beim Fernsehen natürlich besonders an die privaten Sender wenden, dass sie noch viel viel mehr machen.

00:38:19: Sie machen immer mehr, aber sie machen natürlich auch noch viel zu wenig.

00:38:22: Es ist einfach eine Sache der Teilhabe... Also über "Bauer sucht Frau" oder so zu sprechen wenn man gehörlos ist am

00:38:30: nächsten Tag im Büro? Da möchte man halt einfach mitreden, das Gespräch einfach mitgestalten und das kann man dann 

00:38:42: nicht wenn z.b. die Versionen erst später im Internet zu finden sind oder so."

00:38:49: F: "Weißt du noch warum du ganz ursprünglich mal als du klein warst

00:38:54: Journalistin werden wolltest?" 

00:39:04: J: "Ich wollte ganz lange was anderes werden tatsächlich. Ich wollte Profi-Geigerin werden. Also das war so der Plan -irgendwann habe ich dann begriffen, dass ich dann doch nicht genug dafür geübt habe.

00:39:10: Und dann habe ich gedacht: 'okay ich kann ja eigentlich auch gut mit Worten umgehen, das haben mir die Lehrer irgendwie auch immer gesagt.'

00:39:19: Das war also gar nicht so der Kindheitstraum, sondern der ist dann so in mir gereift."

00:39:26: F: "Geige hast du gespielt... Respekt! Ich habe Blockflöte gespielt, ich war nicht so riesig talentiert aber für die Musikschule hat es gereicht und es hat auch Spaß gemacht aber

00:39:41: am Ende wird man immer so ein klein bisschen belächelt, weil man ist halt die die irgendwie mit 17 immer noch Blockflöte spielt.

00:39:47: Zum Schluss habe ich dann Fagott gespielt, das war ganz schön anstrengend.

00:39:54: Das ist für den Mund so anstrengend weil du auf so ein dünnes Plättchen pfeifst damit ein Ton rauskommt und so. Wie lange hast du Geige gespielt?" 

00:40:04: J: "Bis zum Abi, also seit ich fünf war!" F: "Das ist ja wirklich bis kurz vor Karriere!"

00:40:10: J: "Nee, dann irgendwie doch nicht... deswegen dann auf Worte und Sprache umgeswitcht." F: "Hast du das jemals bereut?"

00:40:22: J: "Nee, weil ich ja auch immer wieder Berührungen habe mit dem Thema und dann als Journalistin einfach

00:40:29: das weitermachen kann und die Leute befragen kann und sagen kann 'das kann doch jetzt nicht sein dass in der Oper immer nur noch 80 jährige Menschen zu Besuch sind wie wollt ihr das mal hier

00:40:39: irgendwie anders machen?'

00:40:41: Also so habe ich mit der Musik immer noch Berührungspunkte." F: "Ja und ich habe neulich meine alte Musiklehrerin aus der Schule wieder getroffen die auch nur sagte, wie schön es sei, dass ich der Musik treu geblieben wäre.

00:40:54: Dann habe ich so ein bisschen verwirrt geguckt und sie meinte 'sie spielen ja den ganzen Tag im Radio Musik'!

00:41:03: Irgendwie bin ich der Musik treu geblieben... auf eine gewisse Art und Weise...

00:41:10: nur halt ohne Blockflöte. Du bist ja sehr gut aufgestellt in den Medien aktuell:

00:41:21: Podcast, Sozialheld*innen, du hast wirklich mehr als genug zu tun, aber gibt es irgendwas was du gerne machen würdest so in nächster Zeit?"

00:41:30: J: "Da fällt mir wieder ein als Kind bzw als Jugendliche habe ich das 'Streiflicht' gerne gelesen von der Süddeutschen.

00:41:38: Da habe ich auch immer gesagt: 'wenn ich groß bin, möchte ich das machen, das Streiflicht zu schreiben' also so diese Mischform zwischen Journalismus und Fiktion...

00:41:51: Es ist ja nicht ganz fiktional aber es ist dieses Spiel mit Sprache.

00:41:55: Ein bisschen mehr auszubrechen aus diesen alltäglichen Verpflichtungen vielleicht..."

00:42:02: F: "Das musst du vielleicht mal twittern, dass du das gerne machen würdest - @süddeutsche!

00:42:11: Es kann funktionieren!" J: "Hahaha!"

00:42:16: F: "Das war richtig schön, dass wir beide uns ausgetauscht haben! Ich sende dir ganz liebe Grüße in dein Office nach Berlin!

00:42:23: Wir lesen uns bei Twitter und treffen uns ja vielleicht irgendwann mal im im echten Leben! Ich würde mich sehr sehr freuen! Vielen vielen dank dir für deine Zeit!" J: "Danke dir!"

00:42:34: Abspann: /// Wenn ihr mehr erfahren wollt von Judyta Smykowski dann abonniert ihren Podcast "Die neue Norm" vom Bayerischen Rundfunk oder ihr folgt ihr einfach bei Twitter. Wenn ihr mehr wissen wollt über barrierefreien Journalismus dann geht doch mal auf Leidmedien.de

00:42:48: und wenn ihr mehr zum Thema Printjournalismus 

00:42:49: erfahren möchtet, dann checkt doch gerne mal die Folge mit Amna Franzke und Martina Kix der Chefetage von "Zeit Campus", auch die beiden waren hier meine Gästinnen. Es gab sogar eine Flasche Sekt

00:43:03: Für mich. Die beiden wollten nur Wasser und Kaffee. 

Über diesen Podcast

Moderatorin Freddie Schürheck (1LIVE / WDR) trifft inspirierende Medienmacherinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen und klärt spannende Fragen: Wie läuft die Berichterstattung bei den Olympischen Spielen? Wie wird man das Gesicht einer deutschlandweiten Nachrichtensendung? Was genau macht eigentlich eine Social Media-Format-Entwicklerin? Und mit welchen Vorurteilen haben Frauen in der Medienbranche zu kämpfen? Dieser Podcast richtet sich an Medienschaffende und alle die es werden wollen.

von und mit Freddie Schürheck

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